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AutorenbildDr. med. Kristina Schultheiß

PoTS bei Long-COVID und ME/CFS- eine Erkrankung des Herzens?

Ist das posturale orthostatische Tachykardie-Syndrom (PoTS) bei Long-COVID und ME/CFS überhaupt eine Erkrankung des Herzens?

Pärchen formt ein Herz mit ihren Händen
Ist PoTS ein kardiales Problem?

Das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (PoTS) ist eine häufig falsch verstandene Erkrankung, die oft mit einer Herzerkrankung assoziiert wird. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Syndrom, und ist es wirklich eine Erkrankung des Herzens? Insbesondere bei Patienten mit Long-COVID und Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) wird PoTS immer häufiger diagnostiziert und stellt die Medizin vor neue Herausforderungen. Im Folgenden werden die wesentlichen Definitionen und Unterscheidungen näher erläutert.


Was ist PoTS?

PoTS, oder posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom, beschreibt eine Erkrankung, bei der es bei aufrechter Körperhaltung zu einem unangemessen Anstieg der Herzfrequenz kommt – typischerweise ohne dass der Blutdruck sinkt. Die damit einhergehenden Beschwerden in aufrechter Haltung können zu erheblichen Beschwerden führen, die die Lebensqualität stark einschränken.


Das Syndrom wird oft kardiologisch eingeordnet, da es primär Herz- und Kreislaufsymptome aufweist. Der Begriff „postural“ verweist dabei auf etwas, das nur in einer bestimmen Körperhaltung auftritt, während „orthostatisch“ das Stehen bzw. die aufrechte Körperposition beschreibt. Die „Tachykardie“ ist eine schnelle Herzfrequenz. Zusammengefasst bedeutet dies, dass PoTS eine (zu) schnelle Herzfrequenz aufweist, die ausschließlich bei aufrechter Körperhaltung auftritt und beim Liegen nicht beobachtet wird.


Die Ausprägung von PoTS kann sehr unterschiedlich sein und reicht von milden bis hin zu sehr schweren Beschwerden, die es den Betroffenen in extremen Fällen unmöglich machen, eine aufrechte Position einzunehmen. Während Menschen mit milderer Ausprägung häufig erst nach längerem Stehen Symptome verspüren, kann bei schwer Betroffenen bereits das Sitzen oder sogar das Essen Beschwerden auslösen. Diese Symptome entstehen hier durch die Umverteilung des Blutes in den Bauchraum, was die Durchblutung in anderen Körperbereichen beeinträchtigen kann.


Was ist orthostatische Intoleranz (OI), orthostatische Hypotonie (OH) und orthostatische Synkope?

Die orthostatische Intoleranz (OI) ist ein Überbegriff, unter den auch PoTS fällt – jedoch können auch Menschen an OI leiden, ohne die Diagnosekriterien für PoTS zu erfüllen. Sie beschreibt generell eine Überempfindlichkeit gegenüber der aufrechter Haltung. Patientinnen und Patienten, die an OI leiden, können die aufrechte Körperposition nicht gut tolerieren, was zu Symptomen wie Schwindel, Herzrasen und Schwäche führen kann.


Eine weitere Form der orthostatischen Intoleranz ist die orthostatische Hypotonie (OH). Bei dieser Variante kann der Blutdruck in der aufrechten Position nicht aufrecht erhalten werden und fällt daher ab, was zu einer verminderten Durchblutung des Gehirns führt und im schlimmsten Fall eine orthostatische Synkope (Ohnmachtsanfall) verursachen kann. Bei PoTS treten in der Regel kein Blutdruckabfall und keine Synkopen auf.


Dysautonomie als Überbegriff

PoTS, orthostatische Intoleranz (OI) und orthostatische Hypotonie (OH) zählen zur Gruppe der Dysautonomien – Störungen des autonomen Nervensystems. Dieses Nervensystem ist dafür zuständig, zahlreiche lebenswichtige Körperfunktionen unbewusst zu regulieren, wie etwa die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Atmung und die Verdauung.


Normalerweise passt das autonome Nervensystem automatisch und präzise die Körperfunktionen an sich verändernde Umstände an, ohne dass bewusste Steuerung nötig ist. Bei einer Dysautonomie ist diese Regulation jedoch gestört: aus verschiedensten Gründen, auf die ich später noch eingehe, können Blutdruck, Herzfrequenz, Blutverteilungsvolumen und den peripheren Gefäßwiderstand nicht mehr ausreichend angepasst werden und es kommt zu einer Minderdurchblutung verschiedenster Organsysteme, allen voran das Gehirn.


Der Mechanismus hinter PoTS

Für den Körper ist es essenziell, in jeder Lage einen stabilen Blutdruck aufrechtzuerhalten, insbesondere zur Sicherstellung der Gehirndurchblutung. Schon ein kurzzeitiger Sauerstoffmangel im Gehirn kann zu einer Ohnmacht führen. Diese Mechanismen haben evolutionsbiologisch eine hohe Bedeutung, da sie unser Überleben sichern. Für gesunde Menschen stellt das Aufstehen vom Liegen keine Herausforderung dar, obwohl es für den Körper durchaus eine komplexe Anpassungsleistung ist.


Beim Wechsel von der liegenden in die stehende Position wirkt die Schwerkraft unterschiedlich auf die verschiedenen Körperregionen. Während im Liegen eine gleichmäßige Belastung vorliegt, zieht beim Aufstehen die Schwerkraft das Blut Richtung Erdkern in die Beine. Ohne eine schnelle Gegenregulation würde das Blut nicht ausreichend ins Gehirn zurückfließen, was zu einer einem Abfall des Blutdrucks und Ohnmacht (Synkope) führen könnte.


Um diesen Blutdruckabfall zu vermeiden, verfügt der Körper über mehrere Mechanismen, die synergistisch wirken. Die schnellste Reaktion erfolgt über die Herzfrequenz: Sie steigt unmittelbar nach dem Aufstehen leicht an, um den Blutfluss zum Gehirn zu sichern. Diese anfängliche Erhöhung wird überweigend durch die Ausschüttung von Katecholaminen wie beispielsweise Adrenalin gesteuert. In den folgenden Sekunden bis etwa einer Minute erfolgt eine Anpassung des peripheren Gefäßwiderstands, insbesondere in den Beinvenen, um das Blut effizienter zurück zum Herzen zu leiten. im letzten Schritt wird dann noch das Blutverteilungvolumen angepasst. Bei gesunden Menschen sinkt die Herzfrequenz nach dieser Anpassung innerhalb von Sekunden wieder auf das Ausgangsniveau.


Bei Patientinnen und Patienten mit PoTS ist dieser Anpassungsmechanismus gestört. Die Gefäße in den Beinen verengen sich nicht ausreichend und das Blut wird nicht umverteilt, sodass weiterhin zu viel Blut in den Beinen verbleibt. Um den Blutdruck und damit die Durchblutung des Gehirns aufrechtzuerhalten, muss das Herz dauerhaft schneller schlagen. Dieser Zustand wird durch längeres Stehen oft noch verstärkt, da zunehmend Blut in den Beinen versackt. Das Herz schlägt immer schneller, und bust damit nach und nach auch Schlagkraft ein, da es weniger Zeit es hat sich in der Relaxation komplett zu füllen. So entsteht ein Teufelskreis, der letztlich nur durch das Hinsetzen oder Hinlegen unterbrochen werden kann.


Was sind die Ursachen und Auslöser von PoTS?

Die Ursachen von PoTS sind vielfältig und oft in Kombination mit anderen Erkrankungen zu beobachten. Häufig tritt PoTS nach viralen Erkrankungen auf, was bei vielen Long-COVID-Patientdokumentiert wurde. Weitere Auslöser umfassen Autoimmunerkrankungen, ausgeprägte Traumata und Operationen mit viel Liegezeit, hormonelle Veränderungen und genetische Veranlagungen. Zudem kann PoTS im Zusammenhang mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS), dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) und dem Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) auftreten. Auch psychischer und physischer Stress sowie bestimmte Medikamente können das Syndrom begünstigen. In manchen Fällen lässt sich keine klare Ursache identifizieren, und PoTS wird als idiopathisch bezeichnet.


Symptome bei Patientinnen und Patienten mit PoTS

Das häufigste Symptom sind tachykarde Palpitationen, d.h., Patientinnen und Patienten spüren ihren schnellen Herzschlag deutlich. Bei Messung zeigt sich oft eine Herzfrequenz von über 100 bpm, in schweren Fällen kann sie sogar auf 150-160 bpm oder mehr ansteigen.


Neben den Palpitationen berichten viele Betroffene von weiteren Symptomen, die mit orthostatischer Intoleranz einhergehen, wie Schwindel, Ohnmachtsgefühle, Präsynkopen und einem starken Drang, sich hinzusetzen oder hinzulegen. Zudem können Symptome wie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Atemnot sowie eine Schwere in Armen und Beinen auftreten. Bei Betroffenen mit Long-COVID oder ME/CFS zeigt sich häufig eine Verschlechterung der Fatigue und das Auftreten von postexertionaler Malaise (PEM, Belastungsintoleranz).


Diagnosekriterien für PoTS

Die Diagnose von PoTS wird üblicherweise durch einen Kipptisch-Test oder einen Schellong-/Stehtest oder Steh-EKG gestellt. Bei diesen Verfahren werden Blutdruck und Pulsfrequenz im Liegen und in aufrechter Position gemessen.


Die Diagnosekriterien von Erwachsenen umfassen einen Anstieg der Herzfrequenz um mehr als 30 Schläge pro Minute (bzw. absolut über 120 bpm) im Stehen. Wichtig ist hierbei, dass das kurzfristige ansteigende Herzfrequenz nach dem Aufstehen als normal zu werten ist. In die Beurteilung fließt daher nur ein länger anhaltende Anstieg der Herzfrequenz nach mehreren Minuten des Stehens ein. Der Stehtest kann oft auch zu Hause mit einem Blutdruckmessgerät durchgeführt werden, während der Kipptisch-Test eine aufwendigere klinische Untersuchung ist, die unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt wird.



Eine medizinische Fachpersonen, die mit blauen Handschuhen, ein EKG auswertet Hintergrund orange noch. Dazu liegt ein Stethoskop, ein Plastikherz und Medikamenten da.
Ein Steh-EKG kann, wie auch der Schellong- oder Kipptischtest die Diagnose PoTS sichern.


Verschiedene Arten von PoTS

PoTS ist ein vielseitiges Syndrom mit unterschiedlichen Ursachen und Mechanismen. Es gibt verschiedene Untertypen, die jeweils spezifische Ursachen und pathophysiologische Mechanismen aufweisen:


  1. Neurogenes PoTS: Bei neurogenem PoTS liegt die Ursache in einer Schädigung von Nervenfasern des autonomen Nervensystems. Häufig wird dies durch eine Small-Fiber-Neuropathie oder Autoantikörper verursacht, die die Kommunikation innerhalb des autonomen Nervensystems beeinträchtigen.

  2. Autoimmunes PoTS: Hierbei handelt es sich um eine Form von PoTS, bei der Autoantikörper, oft gegen Rezeptoren aus der G-Protein-gekoppelten Rezeptor (GPCR)-Gruppe, eine Rolle spielen. Diese Antikörper können die Kommunikation zwischen Nerven sowie zwischen Nerven und Gefäßen blockieren oder beeinträchtigen.

  3. Hyperadrenerges PoTS: Beim hyperadrenergen PoTS kommt es durch eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems zu einer überschießenden Stressantwort. Diese führt zu einer übermäßigen Freisetzung von Noradrenalin und einer daraus resultierenden, anhaltend hohen Herzfrequenz, selbst bei minimaler Belastung oder in Ruhe.

  4. Hypovolämisches PoTS: Diese Form von PoTS entsteht durch ein vermindertes Blutvolumen, oft aufgrund hormoneller Störungen, die zu einem vermehrten Wasserverlust führen. Der Mangel an Flüssigkeit im Gefäßsystem führt zu einem absoluten Flüssigkeitsmangel, was den Körper daran hindert, den Blutdruck in aufrechter Haltung stabil zu halten.

  5. Histamin-getriggertes PoTS: Bei Patientinnen und Patienten mit Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) kann eine Histaminfreisetzung nach einem Mastzelltrigger zu einer Flüssigkeitsverschiebung vom Gefäßsystem ins Gewebe führen. Diese Verschiebung verursacht eine relativen Flüssigkeitsmangel, wodurch das Gefäßsystem nicht mehr genug Flüssigkeit zur Verfügung hat, um den Blutdruck ohne eine Tachykardie aufrechtzuerhalten.

  6. PoTS durch Hyperinflammation und Nährstoffmangel: Bei chronischen Entzündungszuständen (und daraus folgenden) Nährstoffmangel kann es zu einer erhöhten Ausschüttung von Zytokinen und anderen Entzündungsmediatoren kommen, was eine Verschiebung der Flüssigkeit vom Blutgefäßsystem ins Gewebe begünstigt. Diese Ödembildung reduziert die Menge an verfügbarem Blut im Kreislauf und erschwert die Aufrechterhaltung des Blutdrucks.

  7. Hypermobiles PoTS: Bei genetischen Erkrankungen wie dem Marfan-Syndrom oder dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) kann eine erhöhte Elastizität der Blutgefäße vorliegen. Diese übermäßige Dehnbarkeit der Gefäße beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich bei Positionsänderungen effektiv zu verengen. Dies führt zu einer unzureichenden Blutdruckregulation und damit zu den typischen PoTS-Symptomen.


Jede dieser PoTS-Formen erfordert eine spezifische Herangehensweise in der Diagnose und Therapie, um die zugrundeliegenden Mechanismen gezielt anzugehen. Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass die meisten Formen vom PoTS nicht eine einzige Ursache haben, sondern meistens eine Kombination sich gegenseitig verstärkende Mechanismen vorliegt.


Ist PoTS nun eine Herzerkrankung?

Obwohl das Hauptsymptom von PoTS tachykarde Palpitationen sind , handelt es sich dabei nicht um eine Erkrankung des Herzens. Das Herz selbst funktioniert in den meisten Fällen normal und muss lediglich die fehlende Anpassung anderer Körpersysteme kompensieren.


Tatsächlich wird PoTS häufig als neurologische Erkrankung betrachtet, da es primär eine Fehlfunktion des autonomen Nervensystems betrifft. Diese Dysregulation kann durch verschiedene Faktoren wie Neuroinflammation, Small-Fiber-Neuropathie oder Autoantikörper ausgelöst werden, die die Kommunikation im Nervensystem stören. Ein Beispiel sind GPCR-Autoantikörper, die die Signalübertragung zwischen dem Nervensystem und den Organen beeinträchtigen. Auch eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems stellt eine neurologische Fehlregulation dar und kann die PoTS-Symptome verstärken.


Zusätzlich kann PoTS als Gefäßerkrankung betrachtet werden, insbesondere entzündliche Prozesse wie eine Endotheliitis oder Autoantikörper gegen Gefäßstrukturen beteiligt sind. Diese Faktoren beeinträchtigen die Reaktionsfähigkeit der Blutgefäße, was über eine reine Kommunikationsstörung hinausgeht. Das hypermobile PoTS, hat häufig genetische Ursachen wie das Ehlers-Danlos-Syndrom, bei dem die Gefäße eine übermäßige Elastizität aufweisen und daher nicht optimal auf Positionsänderungen reagieren können.


PoTS kann auch durch Hormonstörungen verursacht werden, etwa bei hypovolämischem PoTS, wo ein vermehrter Wasserverlust und eine Nebennierenschwäche zu einer unzureichenden Blutvolumenregulation führen.


PoTS durch Hyperinflammation und Nährstoffmangel kann keinem Organsystem zugeordnet werden und spielt sich eher auf der Zellebene ab.


Letztlich kann auch eine Dekonditionierung – oft bedingt durch Bettlägerigkeit – PoTS-Symptome verschlechtern, da der Körper an die körperliche Inaktivität angepasst wird und so die Belastung durch aufrechte Körperhaltung stärker spürbar ist. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass eine die Konditionierung PoTS aber nicht auslösen kann.


Tritt PoTS gehäuft bei Long-COVID und ME/CFS auf?

PoTS tritt tatsächlich vermehrt bei Patient:innen mit Long-COVID und ME/CFS auf, was durch aktuelle Studien gestützt wird. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass bei diesen Erkrankungen mehrere Mechanismen, die zu PoTS führen können, gleichzeitig vorliegen und so die Symptome verstärken.


So leiden Long-COVID und ME/CFS-Patientinnen oft an einer Neuroinflammation oder Small-Fiber-Neuropathie (SFN) , was die Nervenkommunikation innerhalb des autonomen Nervensystems beeinträchtigt. Darüber hinaus ist bei Long-COVID und ME/CFS häufig eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems zu beobachten. Diese kann aufgrund der ständigen körperlichen Stressbelastung nach der sogenannten Sauerstoffhypothese auftreten, die vermutet, dass Sauerstoffmangel in Geweben einen andauernden „Stressreiz“ im Körper auslöst. Auch sind Autoantikörper, insbesondere gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR), bei Long-COVID und ME/CFS häufig zu finden. Diese Antikörper können die Regulation des autonomen Nervensystems und des Gefäßsystems stören, was zu PoTS-ähnlichen Symptomen führen kann.


Auch endotheliale Dysfunktionen, durch eine Endotheliitis (Entzündung der Blutgefäße) und Mikrogerinnsel, spielen bei Long-COVID und ME/CFS eine wesentliche Rolle. Nach der Sauerstoffhypothese ist die Sauerstoffversorgung der Gewebe bei diesen Erkrankungen häufig gestört, was durch die genannten Faktoren, aber auch durch spezifische Autoantikörper hervorgerufen werden kann.


In der aufrechten Haltung wird die ohnehin eingeschränkte Sauerstoffversorgung des Körpers zusätzlich belastet, da der Blutfluss gegen die Schwerkraft aufrechterhalten werden muss. Diese Belastung kann die PoTS-Symptome deutlich verstärken, da die unzureichende Sauerstoffversorgung die Symptome verstärkt und den Stress auf das autonome Nervensystem erhöht.


Zudem tritt bei Long-COVID und ME/CFS häufig eine Hyperinflammation auf, begleitet von Nährstoffmangel. Diese Prozesse können einen relativen Flüssigkeitsmangel in den Gefäßen zur Folge haben.


Ein Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist ebenfalls häufig bei diesen Patientinnen und Patienten anzutreffen, wodurch Histamin-freigesetztes PoTS ausgelöst werden kann.


Nicht zuletzt tragen hormonelle Dysregulationen, wie Pregnenolonmangel durch mitochondriale Dysfunktionen, die häufig bei ME/CFS auftreten, verstärkt werden, zur Entstehung von PoTS bei.


Maßnahmen zur Behandlung von PoTS

Die Behandlung des posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (PoTS) richtet sich nach der Schwere der Symptome und der Ursache des PoTS. Allgemeine Ansätze können sein:


  1. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist essenziell, um den Blutdruck zu stabilisieren. Das Trinken von mindestens 2-3 Litern Wasser pro Tag kann dabei helfen, die Symptome von PoTS zu reduzieren.

  2. Salzreiche Ernährung: Eine salzreiche Ernährung unterstützt die Erhöhung des Blutvolumens, was den Blutdruck stabilisieren und die Symptome lindern kann. Salz hilft dabei, Flüssigkeit im Körper zu halten und so eine bessere Kreislaufstabilität zu erreichen.

  3. Kompressionstherapie: Das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder Kompressionskleidung kann helfen, den Blutfluss in den Beinen zu verbessern und Symptome zu reduzieren. Kompressionsstrümpfe wirken unterstützend, indem sie das Blut aus den Beinen zurück zum Herzen befördern.

  4. Milde körperliche Aktivität: Regelmäßige, schonende körperliche Aktivität kann die Symptome von PoTS verbessern, indem sie den Blutfluss anregt und einer Dekonditionierung entgegen wirkt. Es ist jedoch wichtig, dass Patientinnen und Patienten langsam mit Bewegung beginnen, um Überanstrengung und eine Verschlechterung der Symptome zu vermeiden.

  5. Vermeidung von Triggern: Bekannte Auslöser wie langes Stehen, hohe Temperaturen oder emotionaler Stress sollten vermieden oder reduziert werden.


Medikamentöse Therapie bei PoTS

Zusätzlich zu den oben genannten Maßnahmen können verschiedene Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome von PoTS zu lindern. Die Wahl des richtigen Medikaments hängt von der spezifischen Art von PoTS und den individuellen Symptomen ab und sollte in Absprache mit einem Arzt erfolgen. Einige gängige Optionen sind:


  • Beta-Blocker: Beta-Blocker können helfen, die Herzfrequenz zu senken und den Circulus vitiosus zu durchbrechen.

  • Ivabradin: Senkt die Herzfrequenz und beeinflusst den Blutdruck weniger als Betablocker.

  • Midodrin: Ist ein Alpha1-Agonist, das durch Erhöhung des peripheren Gefäßwiderstands den Blutdruck stabilisiert.

  • Guanfacin: Senkt als Alpha2-Agonist die sympathische Aktivität und die Ausschüttung von Noradrenalin.

  • Mestinon (Pyridostigmin): Verbessert durch Hemmung der Acetylcholinesterse die Kommunikation im autonomen Nervensysten und zwischen Nerven und Muskeln.

  • Fludrocortison: Erhöht das Blutvolumen, indem es die Natrium- und Wasserretention fördert, was besonders bei hypovolämischem PoTS hilfreich ist.

  • Antihistaminika: Bei MCAS können Antihistaminika unterstützend wirken, indem sie die Freisetzung von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren mindern.

  • Nikotinpflaster-Therapie: Bei hohen GPCR-Autoantikörpern könnte eine Nikotinpflaster-Therapie helfen, die Rezeptoren von den Autoantikörpern zu „befreien“ und dadurch die Signalübertragung im autonomen Nervensystem zu verbessern.

  • Neurosteroide: Bei ausgeprägter Neuroinflammation oder Small-Fiber-Neuropathie können gliazellstabilisierende Medikamente wie LDN (Low-Dose Naltrexon), LDA (low dose Aripiprazole) oder Pregabalin unterstützend wirken, indem sie die entzündliche Überaktivität im Nervensystem senken und die Nervenfunktion stabilisieren.

  • Nahrungsergänzungsmittel: Antioxidantien, entzündungshemmende Präparate und spezifische Vitamine (vor allem B-Vitamine) und Mineralstoffe können dabei unterstützen, entzündliche Prozesse zu lindern und die zelluläre Regeneration zu fördern.


Generell sollte natürlich die Grunderkrankung behandelt werden beziehungsweise die einzelnen Aspekte behandelt werdenDie medikamentöse Therapie sollte individuell angepasst werden und erfordert oft eine engmaschige Kontrolle und Anpassung durch eine Fachärztin oder einen Facharzt.


Fazit:

PoTS ist ein komplexes und oft missverstandenes Syndrom, das vor allem durch eine Dysregulation des autonomen Nervensystems geprägt ist und nicht als primäre Herzerkrankung einzustufen ist. Die Symptome und Schweregrade können stark variieren und umfassen neben der erhöhten Herzfrequenz auch Kreislaufprobleme und oft erhebliche Einschränkungen im Alltag.


Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Nervenschäden und Autoimmunreaktionen über genetische Veranlagungen bis hin zu entzündlichen Prozessen und MCAS, die besonders häufig bei Long-COVID und ME/CFS zu beobachten sind.


Die Therapie von PoTS ist individuell und umfasst sowohl allgemeine Maßnahmen zur Stabilisierung des Kreislaufs, sowie eine medikamentöse Therapie.


man der eine sport kompressionstherapie macht
Eine Kompressionstherapie, wenn auch nicht ganz so "high tech" kann ebenfalls bei PoTS helfen

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