Long-COVID ist eine komplexe Erkrankung, die u.a. durch persistente Entzündungen, immunologische Dysregulationen und vaskuläre Dysfunktionen geprägt sein kann. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht vollständig verstanden, doch es gibt Hinweise, dass sowohl virale Proteine wie das Spike-Protein als auch autoimmunologische Prozesse eine Rolle spielen. Therapeutische Ansätze, die gezielt Entzündungen regulieren und die Gefäßgesundheit unterstützen, könnten daher eine Schlüsselrolle in der Behandlung spielen.
Maraviroc, ein CCR5-Antagonist, und Pravastatin, ein entzündungshemmender HMG-CoA-Reduktasehemmer, greifen in unterschiedliche, jedoch komplementäre Mechanismen ein. Durch die Hemmung von Entzündungsprozessen und oxidativem Stress sowie die Unterstützung der Gefäßfunktion könnte die Kombination dieser beiden Wirkstoffe besonders bei Patient:innen mit Viruspersistenz oder immunologischer Dysbalance wirksam sein. Erste Studien zeigen ermutigende Ergebnisse, insbesondere hinsichtlich der Linderung von neurologischen, kardiovaskulären und autonomen Symptomen, die für Long-COVID typisch sind.
Wirkmechanismus von Maraviroc und Pravastatin
Maraviroc
Maraviroc ist ein selektiver Antagonist des CCR5-Rezeptors, der ursprünglich zur Behandlung von HIV entwickelt wurde. CCR5 spielt eine Schlüsselrolle bei der Rekrutierung proinflammatorischer Zellen, einschließlich Makrophagen und T-Zellen, an Entzündungsherde. Bei Long-COVID wird angenommen, dass persistente Entzündungen durch virale Proteine (z. B. Spike-Protein) oder andere immunologische Dysregulationen ausgelöst werden.
Durch die Blockade von CCR5 hemmt Maraviroc:
Die Migration entzündungsfördernder Immunzellen in Gewebe.
Die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine.
Potenziell die Persistenz viraler Proteine, indem es das immunologische Gleichgewicht wiederherstellt.
Pravastatin
Pravastatin ist ein HMG-CoA-Reduktasehemmer, der primär zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt wird. Darüber hinaus besitzt es entzündungshemmende Eigenschaften, die unabhängig von der Lipidsenkung auftreten.
Pravastatin reduziert:
Die Expression proinflammatorischer Moleküle wie Interleukin-6 (IL-6).
Die vaskuläre Dysfunktion, die häufig bei Long-COVID auftritt.
Den oxidativen Stress, der eine Schlüsselrolle bei der Schädigung von Geweben und Organen spielt.
Die Kombination von Pravastatin mit Maraviroc könnte synergistische Effekte haben, indem sie sowohl die Entzündung hemmt als auch die Gefäßgesundheit verbessert.
Studienlage zur Kombinationstherapie
Eine Fallserie mit 18 Long-COVID-Patient:innen zeigte, dass eine Therapie mit Maraviroc (300 mg zweimal täglich) und Pravastatin (10 mg täglich) über 6 bis 12 Wochen signifikante Verbesserungen bewirkte. Zu den verbesserten Symptomen gehörten:
Neurologische Beschwerden (z. B. Konzentrationsstörungen, Brain Fog).
Autonome Dysfunktionen (z. B. orthostatische Intoleranz).
Kardiovaskuläre Symptome (z. B. Tachykardie).
Fatigue.
Diese Verbesserungen korrelierten mit einem Rückgang vaskulärer Marker wie sCD40L (Marker für Gefäßentzündungen) und VEGF (Marker für Angiogenese).
Eine geplante randomisierte, placebokontrollierte Studie mit 252 Teilnehmer:innen wird derzeit durchgeführt, um die Sicherheit und Effektivität der Kombinationstherapie weiter zu untersuchen.
Sicherheit und Nebenwirkungen
Maraviroc
Maraviroc wird in der Regel gut vertragen. Häufige Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Durchfall, ZNS-Symptome (Schwindel, Müdigkeit) I und eine erhöhte Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen. Eine Anwendung muss daher mit einem potentiellen, erneuten Infektionsrisiko abgewogen werden.
Seltener wurden Leberenzymerhöhungen und orthostatische Hypotonie berichtet. Daher muss bei gleichzeitiger orthostatischen Intoleranz eine Abwägung der Therapieoptionen erfolgen.
Pravastatin
Pravastatin gilt als eines der sichersten Statine. Zu den typischen Nebenwirkungen zählen muskuloskelettale Beschwerden wie Myalgien und Muskelschwäche sowie gastrointestinale Symptome wie Übelkeit. Darüber hinaus kann es vorübergehend zu einer Erhöhung der Leberwerte kommen.
Eine seltene, jedoch potenziell schwerwiegende Komplikation ist die Rhabdomyolyse. Dabei handelt es sich um einen raschen Zerfall von Muskelzellen, der zur Freisetzung von Substanzen wie Myoglobin und Kalium in den Blutkreislauf führt. Dies kann schwerwiegende Folgen wie eine akute Nierenschädigung, Elektrolytstörungen oder Kreislaufprobleme haben. Typische Symptome sind Muskelschmerzen, Schwäche und dunkler Urin, weshalb bei entsprechenden Anzeichen eine sofortige ärztliche Abklärung erforderlich ist.
Die Kombinationstherapie wird in der Literatur als sicher beschrieben, erfordert jedoch eine regelmäßige Überwachung der Leber- und Nierenfunktion sowie der Creatinkinase (CK)-Werte.
Kosten der Therapie
Die Therapie von Long-COVID mit Maraviroc und Pravastatin basiert auf vielversprechenden Studeinergebnissen, es handelt sich jedoch um eine Off-Label-Anwendung, da diese Wirkstoffe bislang nicht spezifisch für Long-COVID zugelassen sind. Dementsprechend werden die Kosten in der Regel nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen und müssen von den Patient:innen selbst getragen werden.
Die Behandlung mit Maraviroc ist vergleichsweise kostspielig. Eine Packung mit 60 Tabletten (300 mg) kostet zwischen 960 € und 1.060 €. Bei der in Studien verwendeten Dosierung von 300 mg zweimal täglich für sechs Wochen belaufen sich die Gesamtkosten auf 1.940 € bis 2.120 €.
Pravastatin ist im Vergleich dazu deutlich günstiger. Die Kosten für eine vierwöchige Therapie mit 10 mg täglich betragen etwa 15–20 €.
Fazit und Ausblick
Die Kombination von Maraviroc und Pravastatin stellt einen vielversprechenden Ansatz für die Behandlung von Long-COVID dar, insbesondere bei Patient:innen mit Verdacht auf Viruspersistenz oder Spikeopathie. Erste Studienergebnisse zeigen eine signifikante Verbesserung von Symptomen wie Fatigue, Konzentrationsstörungen und kardiovaskulären Beschwerden. Zudem deuten die Ergebnisse auf eine gute Verträglichkeit hin.
Allerdings ist diese Therapie derzeit eine Off-Label-Anwendung, da beide Medikamente bislang nicht spezifisch für Long-COVID zugelassen sind. Dies bringt mehrere Herausforderungen mit sich: Die Kosten für Maraviroc sind mit rund 2.000 € für eine sechswöchige Behandlung sehr hoch, was für viele Patient:innen eine finanzielle Belastung darstellt, da die gesetzliche Krankenkasse diese Kosten in der Regel nicht übernimmt.
Trotz der positiven Ergebnisse bleibt der klinische Nutzen dieser Therapie noch unzureichend belegt. Es sind dringend weitere groß angelegte, randomisierte Studien erforderlich, um die langfristige Sicherheit, Effektivität und Wirtschaftlichkeit dieser Kombination zu bestätigen. Bis dahin sollte die Anwendung auf klinische Studien oder streng kontrollierte individuelle Heilversuche beschränkt bleiben. Die hohen Kosten unterstreichen zudem die Notwendigkeit, kosteneffiziente und breit verfügbare Therapieansätze für Patient:innen mit Long-COVID zu entwickeln.
Quellen
Deeks, S. G., & Phillips, A. N. (2010). HIV infection, antiretroviral treatment, ageing, and non-AIDS related morbidity. BMJ, 340, c281. https://doi.org/10.1136/bmj.c281
Frontiers in Medicine. (2023). Case series: Maraviroc and pravastatin as a therapeutic option to treat long COVID/Post-acute sequelae of COVID (PASC). Frontiers in Medicine. https://www.frontiersin.org/journals/medicine/articles/10.3389/fmed.2023.1122529/full
HealthBioAI. (2023). HealthBioAI announces the acceptance by the Food and Drug Administration (FDA) to proceed with a randomized clinical trial for the treatment of Long COVID. PRNewswire. https://www.prnewswire.com/news-releases/healthbioai-announces-the-acceptance-by-the-federal-drug-administration-fda-to-proceed-with-a-randomized-clinical-trial-for-the-treatment-of-long-covidpost-acute-sequelae-of-covid-pasc-with-selzentry-maraviroc-in-combinati-302063138.html
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