Wie sich bei Long-COVID durch Thromboinflammation, Endothelverletzungen und Spikeproteine Mikrogerinnseln bilden können
Die Blutgerinnung ist ein komplexer Prozess, der als lebenswichtiger Schutzmechanismus dient, um Blutverlust nach einer Verletzung zu verhindern. Diese Kaskade wird durch eine Serie von Ereignissen eingeleitet, die als Gerinnungskaskade bezeichnet wird. Sie besteht aus der Aktivierung von Gerinnungsfaktoren, die in einer bestimmten Reihenfolge reagieren, um letzen Endes Fibrin zu bilden, das die Grundlage für ein Blutgerinnsel darstellt. Thrombozyten (Blutplättchen) spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie sich, als eines der ersten Mechanismen, an die verletzte Gefäßwand anlagern, aktivieren und Substanzen freisetzen, die weitere Thrombozyten anziehen und die Gerinnung verstärken. Die Thrombozytenaggregation wird durch prothrombotische Substanzen wie Thromboxan gefördert, wodurch die Blutung gestoppt und die Heilung eingeleitet wird.
Störungen der Gerinnung bei Long-COVID
Bei Long COVID gibt es Hinweise darauf, dass die Blutgerinnung gestört sein kann. Dies geschieht durch mehrere Mechanismen:
Entzündungsreaktionen und Thromboinflammation: Eine lokale oder generalisierte Entzündungsreaktion im Körper kann zu einer Aktivierung der Thrombozyten führen. Diese Aktivierung wird häufig durch die Freisetzung von Zytokinen ausgelöst, die eine Entzündung verstärken und Thrombozyten stimulieren. Gleichzeitig kann es speziell bei Long-COVID zu einer Endotheliitis kommen, einer Entzündung der inneren Gefäßwand, die die Thrombozytenaktivierung und die Bildung von Mikrogerinnseln fördert. Eine weitere entscheidende Rolle spielt die Interaktion zwischen Thrombozyten und Neutrophilen Granulozyten, die sogenannte Neutrophil Extracellular Traps (NETs) bilden. Diese NETs können ebenfalls die Gerinnungskaskade aktivieren und zur Thromboinflammation beitragen.
Endotheliale Dysfunktion und Gefäßverletzungen: Eine endotheliale Dysfunktion, die bei Long-COVID durch die Entzündungsreaktion und die direkte Penetration der Endothelzellen durch SARS-CoV-2 verursacht werden kann, bedeutet, dass die Schutzfunktion des Endothels beeinträchtigt ist. Dies führt dazu, dass die disseminierten Verletzungen der Gefäßwand eine starke Aktivierung der Gerinnungskaskade auslösen, was zur Bildung von Mikrogerinnseln führt und die Durchblutung beeinträchtigen kann.
Eigenschaften des Spike-Proteins: Es gibt Hinweise darauf, dass das Spike-Protein von SARS-CoV-2 eine stark negative Ladung besitzt, die die Gerinnung direkt beeinflussen kann. Diese negative Ladung könnte die Aktivierung bestimmter Gerinnungsfaktoren wie Faktor XII auslösen und so die Gerinnungskaskade starten.
Diese Vermutungen spiegeln sich auch in verschiedenen Studien wider, in denen veränderte Gerinnungsfaktoren festgestellt wurden, darunter erhöhte D-Dimer-, oder Antiplasmin-Spiegel und andere Marker, die auf eine gesteigerte Gerinnungsaktivität hinweisen
Folgen der Mikrogerinnsel und Diagnostik
Die Bildung von Mikrogerinnseln bei Long-COVID kann zu einer sogenannten Dekapillarisierung führen, bei der kleinste Blutgefäße blockiert werden und letztendlich abgebaut werden. Die hat eine Rarifizierung des Gefäßnetzes zur Folge. Dies hat weitreichende Folgen, da die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gewebes eingeschränkt wird und Symptome wie Fatigue und Atemnot hervorruft oder verstärken kann.
Die Diagnostik von Mikrogerinnseln und endothelialer Dysfunktion bei Long-COVID ist komplex und oft nur indirekt möglich.
Optische Kohärenztomographie (OCT) des Augenhintergrundes: Dieses hochauflösende bildgebende Verfahren ermöglicht die Visualisierung von Mikrostrukturen in Geweben, einschließlich der Gefäßwände. Das OCT kann eine Gefäßrarefizierung aufzeigen.
Kapillarmikroskopie der Nagelfalz: Durch die Untersuchung der Kapillaren im Nagelfalz kann ebenfalls eine Gefäßrarefizierung dargestellt werden.
Dunkelfeldmikroskopie: Diese Methode ermöglicht die direkte Beobachtung von Blutproben, wobei die Aggregation von Erythrozyten und die Bildung von Mikrogerinnseln sichtbar gemacht werden können.
Flussvermittelte Dilatation (FMD): Mittels hochauflösendem Ultraschall wird die Fähigkeit der Arteria brachialis zur Erweiterung nach einer vorübergehenden Okklusion gemessen. Eine reduzierte FMD weist auf eine endotheliale Dysfunktion hin.
Diese diagnostischen Verfahren sind nicht immer in der klinischen Routine verfügbar und erfordern spezialisierte Ausstattung sowie geschultes Personal.
Therapieansätze
Die Behandlung von Mikrogerinnsel oder einer Thromboinflammation ist nicht einfach, da verschiedene Faktoren der Gerinnungkaskade involviert sind und adressiert werden müssen. Sollte es durch Mikrogerinnsel bereits zu einer Gefäßrarefizierung gekommen sein, ist diese irreversibel, d.h. unumkehrbar. Hier kann allein die Neubildung von Gefäßen helfen, die man jedoch auch unterstützen kann.
Behandlung der auslösenden Faktoren: Zur Reduzierung der Entzündung und Unterstützung der Heilung des Endothels werden entzündungshemmende Therapien und spezifische Nahrungsergänzungsmittel wie Pycnogenol, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien eingesetzt. Diese Substanzen helfen, die Gefäßgesundheit zu verbessern und die Immunreaktion zu modulieren.
Verbesserung der Gerinnungsregulation: Die Gerinnung der Thrombozyten kann durch die Gabe von Nattokinase oder niedrig dosiertem ASS gehemmt werden. Für eine umfassendere Hemmung der Gerinnungskaskade können orale Antikoagulanzien wie niedermolekulares Heparin oder DOAKs (direkte orale Antikoagulanzien) eingesetzt werden. Diese Medikamente helfen, die Bildung von Mikrogerinnseln zu verhindern und die Durchblutung zu unterstützen.
Gefäßtherapie zur Durchblutungsförderung Die Durchblutung kann durch den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln wie L-Arginin und Medikamenten wie Vericiguat verbessert werden. Rheologische Substanzen, die die Fließfähigkeit des Blutes erhöhen, sog. Rheologika, können ebenfalls zur Therapie beitragen und die Mikrozirkulation fördern.
Diese Therapieansätze müssen individuell angepasst werden, um die bestmögliche Wirksamkeit zu erreichen.
Fazit
Die Gerinnungsstörungen bei Long-COVID sind ein komplexes Zusammenspiel von Entzündungsreaktionen, endothelialer Dysfunktion und den direkten Effekten des SARS-CoV-2-Virus. Die Bildung von Mikrogerinnseln und die daraus resultierende Rarifizierung des Gefäßnetzes können zu erheblichen Minderversorgung der Gewebe mit Sauerstoff führen. Die Diagnostik bleibt eine Herausforderung, und die Therapie muss gezielt auf die Reduzierung von Entzündungen, die Verbesserung der Durchblutung und die Regulierung der Gerinnung ausgerichtet sein. eine Therapie sollte individuell angepasst erfolgen und bis zur Besserung des Zustandes und der Befunde können mehrere Monate vergehen.
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