Subkutane Immunglobuline (SCIG) sind eine etablierte Therapie zur Behandlung von Immundefekten und werden gelegentlich bei bestimmten neurologischen Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Sie bieten hier eine effektive und sichere Alternative zur intravenösen Immunglobulinsubstitution (IVIG) und ermöglichen Patient:innen eine flexible Anwendung im häuslichen Umfeld. Bezüglich der Anwendung von IVIG bei Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) existieren einige Studien mit gemischter Evidenz hinsichtlich der Wirksamkeit. Angesichts der eingeschränkten Mobilität von Patient:innen mit Long-COVID und ME/CFS erscheint es sinnvoll, den potenziellen Einsatz von SCIG in Betracht zu ziehen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkmechanismen, Anwendungen und Risiken dieser Therapieform unter Berücksichtigung aktueller Studien.
Was sind SCIG und IVIG?
Subkutane Immunglobuline (SCIG) und intravenöse Immunglobuline (IVIG) sind therapeutische Präparate, die zur Unterstützung des Immunsystems eingesetzt werden. Sie bestehen hauptsächlich aus polyklonalen IgG-Antikörpern, die aus dem Plasma tausender gesunder Spender:innen gewonnen werden.
Polyklonale IgG-Antikörper sind eine Mischung verschiedener Antikörper vom Typ IgG, die von unterschiedlichen B-Zell-Linien produziert werden. Jeder dieser Antikörper erkennt und bindet an ein spezifisches Epitop desselben Antigens. Diese Vielfalt ermöglicht eine effektive Immunantwort gegen komplexe Antigene mit mehreren Erkennungsstellen. Durch die Gabe dieser Antikörper wird eine passive Immunität vermittelt, die dem Empfänger hilft, Infektionen zu bekämpfen und das Immunsystem zu stärken. Allerdings ersetzt diese Therapie nicht vollständig die komplexe und adaptive Immunantwort eines gesunden Individuums, sondern bietet vorübergehenden Schutz und Unterstützung.
Der Hauptunterschied zwischen SCIG und IVIG liegt in der Verabreichungsform:
SCIG: Diese werden subkutan, also unter die Haut, injiziert. Dies ermöglicht oft eine selbstständige Anwendung durch die Patient:innen zu Hause.
IVIG: Diese werden intravenös, also direkt in die Vene, verabreicht und erfordern in der Regel die Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal. Die Infusion erfolgt häufig nur in Facharztpraxen oder Kliniken.
Beide Therapieformen werden zur Behandlung von Immunerkrankungen eingesetzt, wobei die Wahl der Methode von der spezifischen Erkrankung und den individuellen Bedürfnissen der Patient:innen abhängt. Bei einer akuten Zustandsverschlechterung würde eine intravenöse Gabe bevorzugt werden, wohingegen eine subkutane Gabe zu einem gleichmäßigen Wirkstoffspiegel führt.
Wie wirken SCIG und IVIG?
SCIG und IVIG können über verschiedene Wertmechanismen in die Immunkompetenz von Patient:innen eingreifen.
Neutralisation von Antigenen und Autoantikörpern:
Neutralisation pathogener Antigene: Die verabreichten Immunglobuline binden spezifisch an Krankheitserreger oder deren Toxine, blockieren deren schädliche Wirkungen und markieren sie für die Eliminierung durch das Immunsystem.
Bindung von Autoantikörpern: Bei Autoimmunerkrankungen können SCIG und IVIG pathogene Autoantikörper neutralisieren, indem sie an diese binden und somit deren schädliche Effekte reduzieren.
Regulation der Immunantwort:
Modulation von Zytokinen: Immunglobuline können die Produktion entzündungsfördernder Zytokine wie TNF-α, IL-6 und IL-1β hemmen und gleichzeitig entzündungshemmende Zytokine wie IL-10 fördern. Dies trägt zur Reduktion von Entzündungsreaktionen bei.
Förderung regulatorischer Zellen: SCIG und IVIG können die Aktivität regulatorischer B- und T-Zellen steigern, die eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle überschießender Immunreaktionen spielen. Dies ist besonders bei Autoimmunerkrankungen und postinfektiösen Zuständen relevant.
Die immunmodulatorische Wirkung von Immunglobulinen kann dazu beitragen, ein Gleichgewicht zwischen TH1- und TH2-Antworten wiederherzustellen, indem sie die überschießende TH2-Aktivität dämpft und somit einem TH2-Shift entgegenwirkt (siehe auch: Blogbeitrag: Das Immunsystem bei Long-COVID und ME/CFS: Wie SARS-CoV-2 das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringt).
Verbesserung von chronischer Entzündung:
Hemmung des Komplementsystems: Immunglobuline können die Aktivierung des Komplementsystems blockieren, wodurch die durch Immunreaktionen verursachten Gewebeschäden reduziert werden. Dies ist bei vielen Autoimmunerkrankungen von Bedeutung.
Das Komplementsystem ist ein Teil des angeborenen Immunsystems und besteht aus über 30 Proteinen, die im Blutplasma zirkulieren. Es trägt zur Abwehr von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Parasiten bei, indem es diese markiert, zerstört und Entzündungsreaktionen fördert.
Wie werden SCIG und IVIG eingesetzt?
Subkutane (SCIG) und intravenöse Immunglobuline (IVIG) sind essenzielle Therapieoptionen für verschiedene immunologische Erkrankungen.
Primäre und sekundäre Immundefekte
SCIG und IVIG ersetzen fehlende Antikörper und bieten Schutz vor Infektionen. Sie sind indiziert bei Erkrankungen wie:
Common Variable Immunodeficiency (CVID): Eine häufige primäre Immundefizienz, die durch niedrige Immunglobulinspiegel und erhöhte Infektanfälligkeit gekennzeichnet ist.
Severe Combined Immunodeficiency (SCID): Eine schwere Form der Immundefizienz, bei der sowohl T- als auch B-Zell-Funktionen beeinträchtigt sind.
Autoimmunerkrankungen
SCIG und IVIG werden bei bestimmten Autoimmunerkrankungen eingesetzt, um Autoantikörper zu neutralisieren und entzündliche Prozesse zu modulieren. Dies führt zu einer Linderung der Symptome bei Erkrankungen wie:
Chronisch entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP): Eine neurologische Störung, die durch progressive Schwäche und sensorische Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist.
Guillain-Barré-Syndrom: Eine akute, autoimmune Neuropathie, die zu Muskelschwäche und Lähmungen führen kann.
Myasthenia gravis: Eine Autoimmunerkrankung, die durch Schwäche und Ermüdbarkeit der Skelettmuskulatur charakterisiert ist.
Wie könnten IVIG und SCIG bei ME/CFS und Long-COVID wirken?
Die potenzielle Wirksamkeit von Immunglobulinen, sei es intravenös (IVIG) oder subkutan (SCIG), bei Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long-COVID liegt in ihren vielfältigen immunmodulatorischen Eigenschaften. Diese Erkrankungen sind geprägt von immunologischen Dysregulationen, chronischen Entzündungsprozessen und Autoimmunreaktionen, die sich sowohl auf das Immunsystem als auch auf das Nervensystem auswirken. Immunglobuline könnten hier an mehreren zentralen Punkten eingreifen, um die pathophysiologischen Mechanismen zu modulieren und so zur Symptomlinderung beitragen.
Neutralisation pathogener und autoimmuner Mechanismen
Patient:innen mit ME/CFS und Long-COVID weisen häufig Hinweise auf persistierende virale Antigene oder Autoimmunreaktionen auf. Immunglobuline könnten diese Mechanismen durch folgende Wege adressieren:
Neutralisation pathogener Antigene: Immunglobuline binden spezifisch an pathogene Viren oder deren Toxine, blockieren deren schädliche Wirkungen und fördern deren Eliminierung durch das Immunsystem. Dies könnte insbesondere bei Patient:innen mit einer Viruspersistenz, Reaktivierung von Viren bzw. opportunistischen Infektionen hilfreich sein.
Bindung und Neutralisation von Autoantikörpern: Bei Autoimmunreaktionen, die bei ME/CFS und Long-COVID häufig vorkommen, können Immunglobuline pathogene Autoantikörper neutralisieren und so deren negative Effekte reduzieren. Dies betrifft beispielsweise Autoantikörper gegen adrenerge oder muskarinische Rezeptoren (GPCR-AAks), die bei vielen Betroffenen nachgewiesen wurden.
Regulation des Immunsystems
ME/CFS und Long-COVID sind häufig durch eine Dysbalance des Immunsystems gekennzeichnet, die häufig mit einer verstärkten entzündungsfördernden TH2-Antwort einhergeht. Immunglobuline könnten diese Dysbalance durch folgende Mechanismen regulieren:
Modulation von Zytokinen: Immunglobuline hemmen die Produktion entzündungsfördernder Zytokine wie und fördern gleichzeitig entzündungshemmende Zytokinen. Dies könnte besonders bei Patienten hilfreich sein, bei denen chronische Entzündungen wie eine Neuroinflammation oder Endotheliitis im Vordergrund stehen.
Förderung regulatorischer Zellen: Die Aktivierung von regulatorischen B- und T-Zellen durch Immunglobuline trägt zur Kontrolle überschießender Immunreaktionen bei. Diese Mechanismen sind besonders relevant bei einer prominenten Autoimmunkomponente.
Hemmung von Entzündungsprozessen und Gewebeschäden
Chronische Entzündungen und die Aktivierung des Komplementsystems können ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Pathogenese von ME/CFS und Long-COVID spielen. Immunglobuline können diese Prozesse hemmen, indem sie die Komplementaktivierung blockieren: Dadurch werden Gewebeschäden durch Immunreaktionen reduziert. Dies kann wiederum Personen helfen, bei denen chronische Entzündungen wie eine Endotheiliits oder Neuroinflammation im Vordergrund stehen.
Eine längerfristige Anwendung von Immunglobuline, besonders in der Subkutanform, könnte hier zu einer längerfristigen Beruhigung des Immunsystems führen.
Wie ist die aktuelle Studienlage zur Anwendung bei ME/CFS und Long–COVID?
Im Jahr 2021 wurde das Thema der Immunglobulin-Therapie bei ME/CFS erneut aufgegriffen. Der wissenschaftliche Artikel „Back to the Future? Immunoglobulin Therapy for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome“ beleuchtet den bisherigen Forschungsstand und analysiert die Ergebnisse von Studien zu intravenösen Immunglobulinen (IVIG) bei dieser komplexen und oft schwerwiegenden Erkrankung.
Die ersten Forschungsarbeiten zur IVIG-Therapie bei ME/CFS begannen bereits in den 1980er-Jahren, als immunologische Dysfunktionen wie eine gestörte zelluläre Immunität und Immunglobulin-Subklassendefizite bei Betroffenen entdeckt wurden. Insbesondere bei Patient:innen mit einer akuten, viralen Krankheitsentstehung wurde vermutet, dass IVIG durch eine Unterstützung der Immunregulation hilfreich sein könnte.
Zwischen 1990 und 1997 wurden vier randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studien wurden oft als „gemischt“ oder „inkonklusiv“ zusammengefasst, was dazu führte, dass das Forschungsinteresse an IVIG in diesem Zusammenhang nachließ.
Eine detailliertere Analyse zeigt jedoch ein differenzierteres Bild: In einigen Studien, insbesondere bei schwer betroffenen Patient:innen, wurde eine signifikante Verbesserung der Symptome durch IVIG dokumentiert. Ein Teil der Patient:innen zeigte nach der Therapie eine Rückkehr zu vorherigen sozialen, beruflichen und körperlichen Aktivitäten. Besonders auffällig war, dass diese positiven Effekte vor allem bei Patient:innen mit nachweisbaren immunologischen Anomalien auftraten. Andere Studien fanden hingegen keine signifikanten Vorteile gegenüber Placebo. Dies könnte teilweise auf Unterschiede in den Auswahlkriterien für die Studienteilnehmenden zurückzuführen sein, da nicht alle Studien Patient:innen mit schwerer Krankheitsausprägung oder postexertionaler Malaise (einem zentralen Merkmal von ME/CFS) einschlossen.
Auch aus der klinischen Praxis gibt es positive Berichte über den Einsatz von IVIG, insbesondere bei Jugendlichen mit schwerem Verlauf. Fallbeispiele dokumentieren, wie sich Betroffene nach einer IVIG-Therapie signifikant verbesserten und langfristig stabilisierten. Dennoch wird IVIG bislang in den meisten Ländern nicht als Standardtherapie für ME/CFS empfohlen. Gründe dafür sind die als „inkonklusiv“ bewerteten Studienergebnisse, Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen sowie die begrenzte Verfügbarkeit des Präparats.
Die Autoren des Artikels plädieren dafür, das Thema erneut in den Fokus der Forschung zu rücken. Sie argumentieren, dass IVIG eine vielversprechende Option für bestimmte Subgruppen von ME/CFS-Patient:innen darstellen könnte, insbesondere bei schweren Verläufen und nachweisbaren immunologischen Auffälligkeiten wie einer gestörten zellulären Immunität oder einer Autoimmun-assoziierten Small-Fibre-Polyneuropathie (aaSFPN). Parallel dazu könnten spezifische immunologische Tests helfen, jene Patient:innen zu identifizieren, die am ehesten von einer Therapie profitieren würden.
Die Autoren schlagen vor, neben den diagnostischen Kriterien einer Autoimmun-assoziierten Small-Fibre-Polyneuropathie (aaSFPN) auch spezifische immunologische Tests einzubeziehen. Dazu gehören:
Analyse von T-Zell-Subpopulationen: Untersuchung von CD4 (Helfer-T-Zellen) und CD8 (zytotoxische T-Zellen). Ein niedriger CD4-Wert wurde in Studien mit einem positiven Ansprechen auf IVIG assoziiert.
Immunglobulin-Subklassen-Analyse: Besonders die Subklassen IgG1 und IgG3 stehen im Fokus. Ein niedriger IgG3-Spiegel wurde häufig bei ME/CFS-Patient:innen festgestellt und könnte als potenzieller Marker dienen.
Erweiterte Diagnostik spezifischer Autoantikörper: Hierzu zählen beispielsweise Autoantikörper wie die gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR). Diese Antikörper könnten in zukünftigen Untersuchungen als Marker für ME/CFS oder verwandte Erkrankungen wie aaSFPN weiter erforscht werden.
Diese Ansätze könnten helfen, Subgruppen von Patient:innen zu identifizieren, die besonders von einer IVIG-Therapie profitieren könnten.
Die Wiederaufnahme der Forschung zur IVIG-Therapie wäre auch im Hinblick auf postvirale Krankheitsbilder wie Long-COVID von Bedeutung. Angesichts der Ähnlichkeiten zwischen Long-COVID und ME/CFS, insbesondere im Bereich der Immun- und Nervensystemdysfunktionen, könnten Erkenntnisse aus der IVIG-Forschung für beide Patientengruppen wertvoll sein.
Insgesamt zeigt der Artikel, dass IVIG zwar keine allgemeine Lösung für alle ME/CFS-Betroffenen darstellt, aber für eine spezifische Subgruppe eine effektive Therapieoption sein könnte.
Die Gabe von subkutanen Immunglobuline wurde hingegen noch nie in Form eines wissenschaftlichen Artikels oder einer Studie für diese Patientengruppen in Betracht gezogen. Daher ist die Anwendung von SCIG als rein experimentell zu betrachten.
Sicherheit, Nebenwirkungen & Kosten bei Off-Label-Use
Die Sicherheit einer Therapie ist ein entscheidender Faktor, insbesondere wenn es sich um schwer betroffene Personen und die Initiierung einer Off-Label Therapie handelt. Die Anwendung von Immunglobulinen, sei es intravenös oder subkutan, wird in der Regel gut vertragen. Dennoch ist es wichtig, mögliche Nebenwirkungen, die Langzeitsicherheit und die Rahmenbedingungen der Therapie zu berücksichtigen.
Nebenwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen lokale Reaktionen an der Injektionsstelle. Diese können sich durch Rötung, Schwellung oder Schmerzen äußern und klingen meist nach kurzer Zeit wieder ab. Einige Patient:innen berichten zudem über grippeähnliche Symptome oder Müdigkeit nach der Behandlung. Diese Erscheinungen sind in der Regel mild und vorübergehend. Selten treten Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder allergische Reaktionen auf.
Sicherheit
Da Immunglobuline aus menschlichem Blutplasma gewonnen werden, bestehen grundsätzlich Bedenken hinsichtlich einer möglichen Übertragung von Erkrankungen. Dank moderner Herstellungsverfahren und strenger Sicherheitsstandards ist dieses Risiko jedoch heute nahezu ausgeschlossen. Die umfassende Testung und Aufbereitung des Ausgangsmaterials sowie die strengen Qualitätskontrollen sorgen dafür, dass Pathogene zuverlässig entfernt oder inaktiviert werden.
Die Langzeitsicherheit von SCIG ist gut dokumentiert. Studien wie die von Kirch et al. (2010) bestätigen, dass bei dauerhafter Anwendung keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auftreten. Dies macht SCIG zu einer sicheren Option, insbesondere für Patient:innen, die auf eine langfristige Behandlung angewiesen sind.
Off-Label-Therapie und Kosten
Es ist wichtig zu beachten, dass die Immunglobulin-Therapie bei ME/CFS oder Long COVID eine Off-Label-Therapie darstellt. Das bedeutet, dass die Anwendung nicht für diese spezifische Indikation zugelassen ist. In der Regel müssen die Kosten für die Therapie daher von den Patient:innen selbst getragen werden, da eine Erstattung durch Krankenkassen meist nicht erfolgt. Dies kann eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen und sollte vor Beginn der Behandlung sorgfältig abgewogen werden.
Die Kosten einer Immunglobulintherapie variieren je nach Dosierung, Körpergewicht und Behandlungsfrequenz. IVIG kosten etwa 60 bis 70 € pro Gramm. Bei einer üblichen Dosierung von 500 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Anwendung entstehen somit für eine Person mit 70 kg Körpergewicht Kosten von ca. 2.100 bis 2.450 € pro Infusion.
Die Anwendungshäufigkeit richtet sich nach der Indikation und dem individuellen Therapieplan. Bei bestimmten Erkrankungen erfolgt die IVIG-Gabe alle drei bis vier Wochen. Dies führt zu jährlichen Behandlungskosten zwischen 20.000 und 25.000 € bei Patient:innen mit primärem Antikörpermangel.
SCIG werden häufig wöchentlich verabreicht. Die Dosierung beträgt dabei etwa 100 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche. Dies führt zu vergleichbaren jährlichen Kosten wie bei der IVIG-Therapie.
Fazit
Immunglobuline, insbesondere in ihrer subkutanen Darreichungsform (SCIG), bieten eine vielversprechende Option zur Modulation des Immunsystems bei komplexen Erkrankungen wie ME/CFS und Long-COVID. Ihre immunmodulatorischen Eigenschaften ermöglichen die Neutralisation pathogener und autoimmuner Mechanismen, die Regulierung entzündlicher Prozesse und die langfristige Stabilisierung des Immunsystems. Diese Wirkungen könnten besonders bei Patient:innen mit chronischer Entzündung, Small-Fibre-Neuropathie oder Autoantikörpern relevant sein.
Während intravenöse Immunglobuline (IVIG) bereits in Studien für spezifische Subgruppen von ME/CFS-Patient:innen untersucht wurden und positive Effekte zeigen konnten, bleibt SCIG in diesem Bereich unerforscht. Die einfache Anwendung im häuslichen Umfeld und der gleichmäßige Wirkstoffspiegel machen SCIG jedoch zu einer attraktiven Alternative, die gerade für Patient:innen mit eingeschränkter Mobilität eine Erleichterung bieten könnte.
Der Off-Label-Charakter der Therapie stellt jedoch weiterhin eine Herausforderung dar, insbesondere durch die hohen Kosten und die fehlende Kostenerstattung. Zukünftige Forschung ist notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit von SCIG bei ME/CFS und Long-COVID systematisch zu untersuchen und die Therapie basierend auf immunologischen Markern zu personalisieren.
Insgesamt zeigen Immunglobuline viel Potenzial, die Lebensqualität von Betroffenen zu verbessern, jedoch sind weitere Studien dringend erforderlich, um diese Therapie wissenschaftlich zu untermauern und in der klinischen Praxis breit zugänglich zu machen.
Literaturverzeichnis
Nydegger, U. (2010). Therapie mit Immunglobulinen. In: Kiefel, V., Mueller-Eckhardt, C. (eds) Transfusionsmedizin und Immunhämatologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-12765-6_29
2021, Back to the Future? Immunoglobulin Therapy for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome
Kirch, W., Gold, R., Hensel, M., Faßhauer, M., Pittrow, D., Huscher, D., Reiser, M., Stangel, M., Baumann, U., & Borte, M. (2010). Prospektive Versorgungsforschungsstudie zur Therapie mit Immunglobulinen in Deutschland. Notfall + Rettungsmedizin, 105(8), 647–651.
Springer, G. (2024). Umstellung von intravenösen auf subkutane Immunglobuline. InFo Neurologie + Psychiatrie, 26, 57.
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