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AutorenbildDr. med. Kristina Schultheiß

Ursodeoxycholsäure (UDCA) als mögliche Prävention gegen Reinfektionen mit SARS-CoV-2 bei Long-COVID

Aktualisiert: vor 5 Tagen

– Ein kritischer Blick auf einen aktuellen Kommentar zu UDCA und Long-COVID

 


Eine Frau die Medikamentenboxen in einer Schublade sortiert
Gibt es eine Wirksame Chemoprophylaxe gegen SARS-CoV-2?

Im Zuge der anhaltenden Forschung nach wirksamen Präventionsmaßnahmen gegen COVID-19 und seinen Langzeitfolgen, insbesondere für Risikogruppen, rückt Ursodeoxycholsäure (UDCA) zunehmend in den Fokus. Eine veröffentlichte Studie in Nature untersucht, ob UDCA, das üblicherweise zur Behandlung von Lebererkrankungen eingesetzt wird, die Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern könnte, indem es die Expression des ACE2-Rezeptors reduziert – der Haupteintrittspforte für den nativen Virus in menschliche Zellen.


Long-COVID und Reinfektionen

Ein weiterer Aspekt, der bei der Prävention von COVID-19 nicht vernachlässigt werden sollte, ist die Gefahr von Reinfektionen, insbesondere für Menschen, die an Long-COVID leiden. Studien zeigen, dass Reinfektionen die Symptome von Long-COVID verschlimmern können und es daher von entscheidender Bedeutung ist, Infektionen so weit wie möglich zu verhindern. Eine Substanz wie UDCA, die die Viruslast reduzieren und eine Reinfektion verhindern könnte, wäre gerade für diese Patientengruppe von hohem Interesse.


Die Studie im Detail: ACE2-Rezeptoren und UDCA

Die Studie von Brevini et al. (2023) konzentriert sich auf die Hemmung des Farnesoid-X-Rezeptors (FXR), der in Geweben wie Lunge, Leber und Galle vorkommt und die Expression des ACE2-Rezeptors reguliert. Durch die Verabreichung von UDCA, einem zugelassenen Medikament zur Behandlung von Lebererkrankungen, konnte in Tiermodellen eine signifikante Reduktion der ACE2-Expression nachgewiesen werden.


Ergebnisse der Studie:

  • In-vitro und in-vivo-Experimente zeigten, dass die Behandlung mit UDCA die ACE2-Expression in verschiedenen Geweben reduzierte. In Hamstermodellen führte die Behandlung dazu, dass nur 33 % der behandelten Tiere infiziert wurden, verglichen mit 100 % der Kontrollgruppe. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,027).

  • Die Viruslast war in den behandelten Hamstern ebenfalls signifikant reduziert, was auf eine verminderte Infektionsanfälligkeit durch die ACE2-Downregulation hindeutet (p < 0,001 in mehreren Geweben).


Einschränkungen der Studie

Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hierbei um die einzige veröffentlichte Studie zu UDCA und COVID-19 handelt, die derzeit verfügbar ist. Es gibt keine weiteren klinischen Studien, die diese Ergebnisse bei Menschen bestätigen oder erweiterte Schlussfolgerungen ermöglichen. Ein zentraler Kritikpunkt ist also, dass diese Studie nicht an Menschen getestet wurde, sondern nur an Tiermodellen. Dies ist eine erhebliche Einschränkung, da sich die Ergebnisse aus Tiermodellen nicht immer direkt auf Menschen übertragen lassen. Darüber hinaus gibt es mehrere kritische Einschränkungen, die berücksichtigt werden sollten:


  • Getestete Variante: Die Studie wurde an der Delta-Variante von SARS-CoV-2 durchgeführt, die heute nicht mehr weit verbreitet ist. Inzwischen dominieren Omikron-Varianten, die alternative Eintrittswege in die Zellen nutzen und teilweise weniger stark auf ACE2 angewiesen sind. Dies könnte die Wirksamkeit von UDCA gegen Omikron erheblich verringern​ ​(DW).

  • Geringe Fallzahlen: Die Studie verwendet eine relativ kleine Anzahl von Versuchstieren (3 behandelte und 5 unbehandelte Hamster), was die statistische Aussagekraft der Ergebnisse schwächt, auch wenn die Ergebnisse signifikant waren (p = 0,027). Größere Studien wären notwendig, um diese Ergebnisse zu validieren​(41586_2022_Article_5594).

  • Alternative Eintrittsmechanismen: Neuere SARS-CoV-2-Varianten, insbesondere die Omikron-Subvarianten, verwenden zunehmend alternative Eintrittsmechanismen wie Neuropilin-1 (NRP1) und Cathepsin L, was bedeutet, dass eine alleinige ACE2-Hemmung durch UDCA möglicherweise nicht ausreichend ist, um diese Varianten wirksam zu bekämpfen​(DW)​(ECDC).

  • Dosierung von UDCA: In der Studie wurde bei den Hamstern eine vergleichsweise hohe Dosierung von 416 mg pro Kilogramm Körpergewicht verwendet. Bei Menschen würde man hingegen mit einer Dosierung von etwa 3,57 mg bis 7,14/kgKG arbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Stoffwechsel eines Hamsters deutlich anders ist als der eines Menschen, was Einfluss auf die erforderliche Dosis haben kann. Es könnte sein, dass vergleichsweise höhere Dosen notwendig sind, um den beobachteten Effekt zu erzielen, was mit der Standarddosierung für Menschen in der Langzeit-Anwendung möglicherweise nicht praktikabel ist.

Eine Frau vor dem Laptop sitzt und ihre linke Hand auf ihre Brust legt dabei Kaffee trinkt
Abdominelle Beschwerden sind häufige Nebenwirkungen

Nebenwirkungen und Verträglichkeit von UDCA

UDCA ist in der Regel gut verträglich, jedoch treten sehr häufig Durchfall, sowie gelegentlich Übelkeit, Erbrechen und Magenbeschwerden auf. Es ist außerdem wichtig, die Leberwerte regelmäßig zu kontrollieren, da es in seltenen Fällen zu gefährlichen Erhöhungen kommen kann. Weiterhin sollte die Einnahme zur Reduzierung von Nebenwirkung und Komplikationen nicht dauerhaft erfolgen.


Fazit

Die Studie zeigt, dass UDCA durch die Hemmung des ACE2-Rezeptors möglicherweise eine präventive Wirkung gegen SARS-CoV-2-Infektionen entfalten könnte. Diese Ergebnisse sind vielversprechend, aber die alleinige Verwendung gegen Omikron-Varianten ist aufgrund der veränderten Eintrittsmechanismen fraglich. Größere klinische Studien, die die Wirksamkeit genauer untersuchen, sind dringend erforderlich, um die tatsächliche Wirksamkeit von UDCA zu bewerten. Für Menschen mit Long-COVID könnte UDCA in Zukunft eine interessante Option sein, um Reinfektionen zu vermeiden, aber es bleibt abzuwarten, ob sich diese Hypothese in weiteren Untersuchungen bestätigt.


Zitierte Studien:

Brevini T, Maes M, Webb GJ et al. FXR inhibition may protect from SARS-CoV-2 infection by reducing ACE2. Nature. 2023;615(7950):134–42. DOI: 10.1038/s41586-022-05594-6​(41586_2022_Article_5594).


University of Minnesota, Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP). (2024). COVID-19 reinfection ups risk of long COVID, new data show. https://www.cidrap.umn.edu/covid-19/covid-19-reinfection-ups-risk-long-covid-new-data-show

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