Die Rolle von niedrig dosiertem Aripiprazol (LDA) bei der Linderung von Fatigue, kognitiven Einschränkungen und Post-Exertionaler Malaise
Einführung ME/CFS
Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long-COVID sind komplexe, chronische Erkrankungen, die oft mit anhaltender Fatigue, kognitiven Beeinträchtigungen („Brain Fog“) und post-exertionaler Malaise (PEM) einhergehen. Diese Zustände beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich und stellen eine therapeutische Herausforderung dar. In der jüngsten Forschung hat niedrig dosiertes Aripiprazol (LDA) Aufmerksamkeit erregt, da es potenziell zur Verbesserung dieser Symptome beitragen kann.
Die Wirkungsweise von Aripiprazol bei einer LDA-Therapie
Aripiprazol ist ein atypisches Antipsychotikum, das als partieller Agonist an Dopamin-D2- und 5-HT1A-Serotoninrezeptoren sowie als Antagonist an 5-HT2A-Rezeptoren wirkt. Diese einzigartigen Mechanismen ermöglichen eine modulierte Neurotransmission, die für die Regulierung von Stimmung, Motivation und kognitiven Prozessen entscheidend ist. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass niedrig dosiertes Aripiprazol (LDA) neuroinflammatorische Prozesse beeinflussen kann, die bei ME/CFS und Long-COVID eine Rolle spielen können. Ganz besonders gute Effekte erhofft man sich bei Reizempfindlichkeit.
Aktuelle Retrospektive Studie von Crosby et al. (2021) bzgl. LDA & ME/CFS:
In einer umfassenden retrospektiven Analyse an der Stanford University School of Medicine wurden die medizinischen Daten von 101 ME/CFS-Patient:innen ausgewertet, die mit niedrig dosiertem Aripiprazol (LDA) behandelt wurden. Die Dosis variierte zwischen 0,2 und 2,0 mg/Tag (Durchschnitt: 1,1 mg/Tag), und die Behandlung dauerte im Durchschnitt 7,8 Monate. Die Studie ergab, dass 74 % der Patient:innen eine Verbesserung in mindestens einer Symptomkategorie (Fatigue, brain fog, nicht erholsamer Schlaf, Post Exertional Malaise) erlebten. Insbesondere die Fatigue-Scores sanken signifikant von durchschnittlich 5,76 auf 2,86 (p < 0,001), während die „Brain Fog“-Scores von 4,39 auf 2,06 abnahmen (p < 0,001). Auch die Häufigkeit und Schwere von PEM-Episoden verringerte sich deutlich.
Aufgrund der Überschneidungen in der Pathophysiologie von ME/CFS und Long-COVID gibt es erste Hinweise darauf, dass LDA auch bei Long-COVID von Nutzen sein könnte. Aripiprazol könnte hier durch seine Modulation der dopaminergen und serotonergen Neurotransmitter sowie seine potenziell antiinflammatorischen Effekte helfen. Diese Mechanismen könnten eine Linderung der zentralen Fatigue und der kognitiven Symptome bewirken.
Dosierung und Sicherheit einer LDA-Therapie bei ME/CFS
In den untersuchten Studien und klinischen Erfahrungen begann die LDA-Therapie meist mit einer Anfangsdosis von 0,25 mg/Tag, die schrittweise erhöht wurde, um individuelle Verträglichkeit und Effektivität zu gewährleisten. Die maximale Dosis lag bei 2,0 mg/Tag. Aripiprazol in niedriger Dosierung wurde allgemein gut vertragen, wobei häufig berichtete Nebenwirkungen leichte Kopfschmerzen, Unruhe und gelegentlich Gewichtszunahme waren. Eine sorgfältige ärztliche Überwachung ist jedoch essenziell, um Nebenwirkungen zu minimieren.
Potenzielle Mechanismen hinter der Wirkung von Aripiprazol bei ME/CFS
Die Wirkung von Aripiprazol bei ME/CFS und Long-COVID könnte auf verschiedenen Mechanismen beruhen:
Reduktion der Neuroinflammation: Aripiprazol könnte die Mikroglia-Aktivierung hemmen, was zur Reduktion neuroinflammatorischer Prozesse führen könnte.
Modulation der Dopamin-Signalwege: Durch seine Wirkung als partieller Agonist am D2-Rezeptor könnte Aripiprazol die dopaminerge Dysfunktion, die häufig bei Fatigue und „Brain Fog“ vorliegt, ausgleichen.
Serotonerge Effekte: Die zusätzliche Modulation der serotonergen Signalwege könnte zur Verbesserung der Schlafqualität und der emotionalen Stabilität beitragen.
Fazit
Niedrig dosiertes Aripiprazol (LDA) bietet eine vielversprechende Off-Label-Therapieoption für die Behandlung von ME/CFS und Long-COVID, insbesondere zur Linderung von Fatigue und kognitiven Beeinträchtigungen und PEM. Die bisherigen Studienergebnisse zeigen positive Effekte auf die Symptomschwere und die Lebensqualität der Patient:innen. Dennoch sind weitere randomisierte, kontrollierte Studien notwendig, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von LDA zu bestätigen und die zugrunde liegenden Mechanismen weiter zu erforschen.
Quellen
Crosby LD, Kalanidhi S, Bonilla A, Subramanian A, Ballon JS, Bonilla H. Off label use of aripiprazole shows promise as a treatment for Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS): a retrospective study of 101 patients treated with a low dose of aripiprazole. J Transl Med. 2021;19:50. doi:10.1186/s12967-021-02721-9.
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