Ist das "Post-Vac-Syndrom" mit einem Impfschaden gleichzusetzen und ist es eigentlich dasselbe wie Long-COVID?
Impfungen gehören zu den wichtigsten Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten. Besonders in der COVID-19-Pandemie wurden sehr viele Menschen gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft. Doch wie bei jeder medizinischen Maßnahme können auch bei Impfungen unerwünschte Wirkungen oder sogar bleibende Schäden auftreten, welche jedoch allgemein als sehr selten gelten.
In letzter Zeit wurde viel über das sogenannte "Post-Vac-Syndrom" diskutiert, das nach Impfungen gegen SARS-CoV-2 auftreten kann. Doch wie häufig ist es eigentlich? Und wie schwer sind Menschen vom "Post-Vac-Syndrom" betroffen? Kann man das "Post-Vac-Syndrom" mit Long-COVID gleichsetzen?
In diesem Artikel vergleichen wir die verschiedenen unerwünschten Reaktionen, die bei Impfungen auftreten können, das "Post-Vac-Syndrom" und Long-COVID hinsichtlich der Häufigkeit, der Symptome, der Pathogenese und der Behandlungsmöglichkeiten.
Was sind Impfreaktionen?
Impfreaktionen kommen häufig vor und sind normalerweise mild; sie verschwinden innerhalb von einigen Tagen von selbst. Zu den üblichen Impfreaktionen gehören Schmerzen, Rötungen oder Schwellungen an der Injektionsstelle sowie Fieber, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Diese Reaktionen zeigen, dass das Immunsystem auf die Impfung reagiert und eine Immunantwort aufgebaut wird. Impfreaktionen sind in der Regel eine normale Reaktion des Immunsystems und kein Grund zur Sorge.
Was sind Impfnebenwirkungen oder Impfkomplikationen?
Impfkomplikationen sind seltene "über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigungen" Sie werden auch als "unerwünschte Arzneimittelwirkungen" bezeichnet (Paul-Ehrlich-Institut).
Zu ihnen zählen, besonders bei der Impfung gegen SARS-CoV-2, Herzmuskelentzündungen oder Sinusvenenthrombosen. Sie waren bei COVID-19 mit den Vakzinen von Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson in Verbindung gebracht worden. Die beobachteten Herzmuskelentzündungen hatten meistens einen milden Verlauf und heilten komplett aus.
Was sind hingegen Impfschäden?
Impfschäden sind hingegen definiert als: "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung". Also der Schaden, der aus einer Impfkomplikation resultiert.
Was ist das "Post-Vac-Syndrom"?
Das "Post-Vac"- oder "Post-Vakzinierungs-Syndrom" bezieht sich auf eine Sammlung von Symptomen, die bei einigen Menschen nach einer Impfung auftreten können. Diese Symptome umfassen: Kopfschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme ("brain fog"), "Fatigue", Belastungsintolernaz, Gliederschmerzen, Fieber und Übelkeit, die jedoch nicht nach einigen Tagen verschwinden und im schlimmsten Fall über Monate persistieren. Diese Symptome können denen von Long-COVID oder ME/CFS stark ähneln.
Wie häufig sind Impfnebenwirkungen und das "Post-Vac-Syndrom"?
Impfreaktionen sind in der Regel harmlos und treten bei etwa 10 bis 15% der geimpften Personen auf. Sie verschwinden nach einigen Tagen.
Impfkomplikationen sind als selten (ca. 0,1%) bis sehr selten (ca. 0,01%) definiert und treten demnach nur bei einer kleinen Anzahl von Menschen auf. Insgesamt wurden dem Paul-Ehrlich-Institut nach der Grundimmunisierung plus Booster-Impfungen 333.492 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und 50.833 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen berichtet. Die Melderate betrug für alle Einzelfallmeldungen 1,78 pro 1.000 Impfdosen (0,178%), für schwerwiegende Einzelfallmeldungen 0,27 pro 1.000 Impfdosen (0,027%).
Als Impfschäden werden die längerfristigen Folgen von Impfkomplikationen bezeichnet. Um einen gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schaden anerkannt zu bekommen muss dieser von den jeweiligen Gutachtern der Bundesländer bestätigt werden. Bei insgesamt 192,2 Mio verabreichten Impfdosen haben die Bundesländer bisher 253 Anträge auf Entschädigung (0,013%) wegen einer schweren unerwünschten Nebenwirkung der SARS-CoV-2-Impfung bewilligt. Das hat eine bundesweite Umfrage der Zeitung "Welt am Sonntag" bei den Versorgungsämtern der Länder ergeben. (30.03.2023)
Bei dem "Post-Vac-Syndrom" sind die Zahlen nicht eindeutig. Laut des Sicherheitsberichtes des Paul-Ehrlich Institutes gibt es 0,029% Verdachtsfälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Langanhaltende Symptome wie beim "Post-Vac-Syndrom" sind wahrscheinlich seltener und werden von Fachleute nach dem Sicherheitsbericht von Pifzer und Biontech auf 0,02% geschätzt.
Wie lange sind Menschen von Impfreaktionen bzw./-komplikationen und dem "Post-Vac-Syndrom" betroffen?
Impfreaktionen sind in der Regel mild und kurzlebig, während das "Post-Vac-Syndrom" und Impfkomplikationen stärkere Symptome aufweisen und mehrere Wochen oder Monate persistieren können. Impfkomplikationen können genauso dauerhafte und irreversible Folgen haben.
Wie stellt und meldet man eine Diagnose?
Jede Impfnebenwirkung muss von der behandelnden ÄrztIn oder einer Fachambulanz an das zuständige Gesundheitsamt weitergeleitet werden. Dieses gibt die Daten dann gesammelt an das Paul-Ehrlich-Insitut weiter. PatientInnen bei denen ein "Post-Vac-Syndrom" vermutet wird können sich z.B. an die Post-Vax-Sprechstunde des Universitätsklinikums Marburg wenden um die Diagnose zu sichern. Eine Diagnosestellung ist schwierig, da das "Post-Vac-Syndrom" bisher nicht eindeutig definiert ist und es bisher auch wenige Anlaufstellen gibt.
Wie kommen Impfkomplikationen und das "Post-Vac-Syndrom" zustande?
Impfreaktionen treten auf, weil der Körper auf die Impfung reagiert und eine Immunantwort aufbaut. Dabei kommt es zu Entzündungen und Aktivierung von Abwehrzellen. Bei einer Impfkomplikation ist diese Reaktion stärker bzw. zu so stark ausgeprägt, dass es zu einer generalisierten Entzündung und der Beteiligung spezifischer Organe führen kann (Herzmuskelentzündung, Neuroinflammation). Die Pathogenese für die Entstehung von Sinusvenenthrombosen ist noch nicht vollständig erklärt, eine übermäßige Aktivierung der Gerinnung kann jedoch ggf. durch die stark negative Ladung der geimpften mRNA erklärt werden.
Das "Post-Vac-Syndrom" wird vermutlich ebenfalls durch eine überschießende Immunantwort und ggf. über eine Persistenz des "Spike"-Proteins ausgelöst, die zu einer unspezifischen und länger andauernden Entzündungen im Körper ("silent inflammation") führt ohne spezifische Organe zu betreffen. Diese Entzündungen können zu Long-COVID-artigen Beschwerden führen. Eine übermäßige Aktivierung der Gerinnung und die Bildung von Mikrogerinnseln ist ebenfalls denkbar, aber ebenfalls nicht bewiesen.
Welchen Bezug gibt es zu Long-COVID?
In Bezug auf COVID-19 gibt es eine besondere Relevanz des "Post-Vac-Syndroms. Die Symptome des "Post-Vac-Syndroms" können stark den Symptomen von Long-COVID ähneln. Long-COVID ist eine Erkrankung, die bei einigen Menschen nach einer COVID-19-Infektion auftritt und sich durch anhaltende Symptome wie "Fatigue" und "PEM", Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen ("brain fog"), Schlafstörungen und Atembeschwerden auszeichnet. Es wird angenommen, dass Long-COVID ebenfalls teilweise durch eine überschießende Immunantwort und eine chronische Entzündung ("silent inflammation") im Körper verursacht werden kann.
Der Direktor der Marburger Klinik für Kardiologie und Leiter der Post-Vax-Ambulanz, Prof. Bernhard Schieffer, ist sich hier sicher, dass Long-COVID nach einer Erkrankung und nach einer Impfung eigentlich dasselbe Krankheitsbild ist. Man muss jedoch hier wieder die Long-COVID-Patienten in "Cluster" einteilen. Patienten mit dem Erkrankungsschwerpunkt "silent inflammation" und "fehlreguliertes Immunsystem" können hier in Zukunft vielleicht mit Patienten mit "Post-Vac-Syndrom" gleichgesetzt werden.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nur ein kleiner Bruchteil von Menschen die an Long-COVID-Symptomen leiden eine Impfung dafür ursächlich ist. Das Risiko an Long-COVID zu erkranken (>10%) steigt um mindestens 50% wenn man nicht geimpft ist und sich infiziert.
Kann ME/CFS durch eine Impfung ausgelöst werden?
Es gibt aktuell keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass eine Impfung ein Myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) auslösen kann, jedoch wurden bisher laut des Paul-Ehrlich-Insitutes 92 Fälle von ME/CFS in Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet (20.07.2022). Weitere Auswertungen und Forschung muss in diesem Bereich noch erfolgen.
Ist eine Entschädigung bei einem "Post-Vac-Syndrom" möglich?
Laut des Paul Ehrlich-Instituts ist jede körperliche Reaktion, die von einem Versorgungsamt und einem Gutachter anerkannt wird, ein Impfschaden. Dabei muss es sich nicht zwingend um eine bekannte Nebenwirkung handeln. Jede Reaktion oder Folgeerkraknung kann als möglicher Impfschaden gemeldet und entschädigt werden. Bei der Bundesregierung wurde bei bisher 192,2 Mio. verabreichten Impfdosen 253 Fälle als Impfschaden anerkannt, 1.808 Anträge bereits abgelehnt, 3.968 Anträge seien noch in der Bearbeitung (20.07.2022). In einigen Ländern gibt es spezielle Fonds oder Programme, die Impfschäden abdecken und eine Entschädigung für die Betroffenen bereitstellen. Im Fall von COVID-19-Impfstoffen bieten die meisten Hersteller eine gewisse Art von Entschädigung an, falls ein Impfschaden auftritt. Eine Anerkennung des "Post-Vac-Syndroms" als Impfschaden ist prinzipiell möglich, da es keine Einschränkungen bezüglich der Diagnose gibt, sie ist jedoch bisher nur selten gewährt worden.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Impfkomplikationen oder dem "Post-Vac-Syndrom"?
Bei Impfreaktionen sind in der Regel keine spezifischen Behandlungen erforderlich, da die Symptome in der Regel von selbst abklingen. Es können jedoch symptomatische Maßnahmen wie Schmerzmittel oder fieber-senkende Medikamente eingesetzt werden.
Bei Impfkomplikationen wie einer Herzmuskelentzündung hilft nur körperliche Schonung und ein Sportverbot, bei einer Sinusvenenthrombose kann temporär eine Blutverdünnungstherapie erfolgen.
Das "Post-Vac-Syndrom" kann ebenfalls bisher nur symptomatisch behandelt werden. Hier können Schmerzmittel, fieber-senkende Medikamente und körperliche Schonung helfen. Bei schwereren Fällen können Cortikosteroide oder Immunmodulatoren, oder die orthomolekulare Medizin eingesetzt werden, um die Immunantwort zu regulieren. Wegen der Ähnlichkeiten zu Long-COVID, können hier auch Therapien versucht werden, die bei Long-COVID eingesetzt werden. Weitere Forschung ist hier notwendig um validierte Therapiekonzepte zu entwickeln.
Fazit:
Insgesamt zeigt sich, dass Impfungen insgesamt als sehr sicher einzustufen sind, schwerwiegende Impfreaktionen oder sogar Impfschäden sind eine Seltenheit im Bereich von 0,02-0,03%. Trotzdem gibt es viele Menschen, die unter Long-COVID, ME/CFS und "Post-Vac"-Beschwerden leiden, die nun unsere Hilfe und Unterstützung und vor allem ein validiertes, einheitliches Therapiekonzept benötigen. *
https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/schuetzt-eine-corona-impfung-vor-long-covid/#:~:text=Die%20Wissenschaftler%3Ainnen%20hatten%20festgestellt,zu%20%C3%BCber%2050%25%20seltener%20auftreten.
Funk RHW, Scholkmann F. The significanceofbioelectricity on all levelsoforganizationof an organism. Part 1: Fromthesubcellularleveltocells. Prog Biophys Mol Biol. 2023 Jan;177:185-201. doi: 10.1016/j.pbiomolbio.2022.12.002. Epub 2022 Dec 5. PMID: 36481271.
Almas, Talal, et al. "Epidemiology, clinical ramifications, and cellular pathogenesis of COVID-19 mRNA-vaccination-induced adverse cardiovascular outcomes: A state-of-the-heart review." Biomedicine & Pharmacotherapy 149 (2022): 112843.
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